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SENTHURAN VARATHARAJAH

am ende der sprache gibt es keinen unterschied zwischen einem körper und einem vers

Senthuran Varatharajah

Der Mensch, den wir lie­ben, ist der ab­wesendste Mensch von allen. Er fehlt – selbst wenn er vor uns steht. Der Mensch, den wir lie­ben, ist der ab­wesendste Mensch von allen: weil er vor uns steht. Weil er nie nah genug sein kann. Weil er immer zu weit ent­fernt ist. Man könnte sagen: Der Mensch, den wir lieben, er­innert uns – weil wir ihn lieben – an die Idee der Ab­wesen­heit selbst. Und in der Idee der Ab­wesen­heit ist selbst die Ab­wesen­heit ab­wesend. Diese Texte er­zählen davon: vom Ende der Sprache, von dort, wo es keinen Unter­schied zwischen einem Körper und einem Vers mehr gibt. Diese Texte er­zählen: vom Hun­ger unserer Hände. Von der Trauer unseres Munds.

Einsamkeit

Marguerite Duras verfasst das Dreh­buch Hiro­shima mon amour, das 1959 von Alan Resnais ver­filmt wird. Es erzählt von der zwei­nächtigen Be­geg­nung einer franzö­sischen Schau­spielerin und eines japa­nischen Archi­tekts am Ort der Kata­strophe. Es erzählt von der Liebe und ihren »traurigen Ver­suchen, die wir unter­nehmen, um die Ein­samkeit zu über­winden.«

Marguerite Duras, Hiroshima mon amour
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Zerbrechlichkeit

Ocean Vuong ist ein viet­namesisch-US-amerika­nischer Schrift­steller. Sein Lyrik­band Night Sky With Exit Wounds, dem auch das aus­gewählte Gedicht ent­stammt, er­scheint 2016. Es begrün­det eine »Poetik des Brechens«, wie Varatharajah in einem Essay schreibt. Drei Jahre später er­scheint mit On Earth We Are Briefly Georgeous Vuongs Prosa­debüt.

Ocean Vuong, »My Father Writes From Prison« in: Night Sky With Exit Wounds
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Vernichtung

James Baldwin veröffentlicht Giovanni's Room 1956, acht Jahre nachdem er die USA verlassen und sich in Paris niedergelassen hat. Er schreibt über das Begehren, das zwei Männer, der eine aus Italien, der andere aus den Vereinigten Staaten, in Paris zusammenführt. Und er schreibt von den Körpern, die unter ihrem Begehren leiden, und sich ihm doch nicht entziehen können.

James Baldwin, Giovanni's Room
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Senthuran Varatharajah ist ein deut­scher Schrift­steller. Er studierte Philo­sophie, evange­lische Theo­logie und Kultur­wissen­schaften an der Philipps-Universität Marburg, der Humboldt-Universität zu Berlin und am King’s College London. 2014 nahm Varatharajah – ohne zuvor etwas veröffentlicht zu haben – an den 38. Tagen der deutsch­sprachigen Literatur teil und erhielt den 3Sat-Preis. Sein viel­beachteter und mehr­fach aus­ge­zeichneter Debüt­roman Vor der Zunahme der Zeichen erschien im Frühjahr 2016 im S. Fischer Verlag. Sein zweiter Roman Rot (Hunger) erscheint im Herbst 2021. Das Gespräch mit Senthuran Varatharajah im südfranzösischen Baskenland bildete den Auftakt unserer Gesprächsreihe VORZEICHEN. Zuletzt sprach er in der dritten Episode von GEGENWÄRTS über Liebe in Abwesenheit.

Hiroshima mon amour, in der Regie von Alain Resnais, erschien 1959. Die deutschsprachige Ausgabe des gleichnamigen Drehbuchs von Marguerite Duras erschien erstmals 1961 im Suhrkamp Verlag, übersetzt von Walter Maria Guggenheimer.
Night Sky With Exit Wounds von Ocean Vuong erschien 2016 bei Copper Canyon Press. Die deutschsprachige Ausgabe Nachthimmel mit Austrittswunden erschien 2020 in der Übersetzung von Anne-Kristin Mittag im Hanser Verlag.
Giovanni's Room von James Baldwin erschien erstmals 1956 bei Dial Press. 2020 veröffentlichte der Deutsche Taschenbuch Verlag unter dem Titel Giovannis Zimmer eine Neuübersetzung von Miriam Mandelkow.

Produktion: Max Farr, Konstantin Schönfelder
Portrait: Holm-Uwe Burgemann

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Am Ende der Sprache
Kapitel I–III
I Hiroshima mon amour (Duras)
II My Father Writes From Prison (Vuong)
III Giovanni's Room (Baldwin)

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»Diese Poetik des Brechens – des Ab­brechens, Zusammen­brechens und Knochen­brechens – wider­spricht nicht der Zart­heit seiner Sprache: Sie ist zer­brech­lich genug, um nicht zu brechen.«