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#14 Maxim Biller

#14 Maxim Biller: Hundert Zeilen Hass

von Holm-Uwe Burgemann

Biller zu hassen ist ein Reflex auf Billers Hass. Billers Hass im Gegensatz ist, genau betrachtet, ein Strategem. Biller kann, was die meisten von uns nicht können: Biller hasst mit Plan – immer gründ­licher und immer besser begrün­det, schöner und ansprechender sowieso.

Biller ist eine Hassfigur. Ihn hasst man schon dem Namen nach. Biller. Wie das klingt, wie das blubbert. Biller ist nicht die Steck­nadel, die morgens um fünf unterm Bett hervor­rollt, sodass man zum eigenen Un­genuss drauf­treten kann. Biller ist der dicke Pickel, der direkt zwischen den Nasen­löchern sitzt, da wo es besonders wehtut. Dieser pochende Pickel, der partout nicht, der nie reif wird, sodass er zu spannen beginnt, dieser unsägliche, der nie platzt und wenn, dann nur um nach wenigen Stunden in neuer Größe wieder­zukehren. Ja, dieser Pickel ist, glaubte ich, Maxim Biller. Denn ich persönlich hatte Biller in seiner selbst­gefälligen Art, mit der er im musealen Literarischen Quartett das Recht für seine eigene Außen­seiter­position zu pachten versucht hat, wobei ihm sowohl die anspruchs­los onkel­hafte Stimm­haltung von Karasek wie auch die maß­volle Scharf­züngigkeit von Reich-Ranicki vor den Augen der Gemein­schaft der Fernsehenden krachend miss­lungen ist. Biller ist lo­gor­rho­isch, habe ich mal ge­lesen, lästig also. So glaubte ich bis vor kurzem.
Wenn auch all diese Wut den Biller­hassern noch bis zum vor­letzten Satz so äußerst richtig scheint, ist der Hass auf Biller doch ganz allge­mein dumm und obendrein desinformiert. Biller zu hassen ist erwiesener­maßen (wie leicht sich das schreiben lässt) ein Reflex auf Billers Hass. Der reflexhafte Hass fällt auf als Replik. Billers Hass im Gegensatz ist, genau betrachtet, ein Strate­gem. Biller kann, was die meisten von uns nicht können: Biller hasst mit Plan – immer gründlicher und immer besser be­grün­det, schöner und an­sprechen­der sowieso. Ja, das Hassen muss man können. Und nie­mand in Deutsch­land hasst so klug wie Maxim Biller.
Für alle, die den Biller­hass lernen wollen, gibt es seit einem knappen Jahr bei Hoffman und Campe ausreichend An­schauungs­ma­te­rial. Im mit einem Nachwort vom Wahl­ameri­kaner Hans Ulrich Gumbrecht verse­he­nem Band Hundert Zeilen Hass lesen wir Billers Tempo-Kolum­nen und jene, die danach anderswo verstreut erschie­nen sind, und das aus über zwei Jahrzehnten. Darunter humor­voll düstere, bitter­bös ehr­ab­schnei­den­de und letztlich meistens wohl­tuend treffen­de Porträts des Schlech­ten im Menschen am Beispiel einiger von uns. Der Autor schreibt ihre Geschichten nicht als Geschichts­schreiber, sondern mit großer Hingabe als ausführende, waltende Instanz. Dass diese Sammlung dann auch noch mit der am wenigsten an bürger­licher Selbst­inszenierung interessierten Jungle World auf dem Buch­rücken bewor­ben werden kann (»Zart und direkt«), spricht Bände über die Letalität von Billers Worten und auch ihren Gehalt. »Gute Pole­miken funktio­nieren so, dass alle Unrecht haben, man selbst Recht hat und beim Recht­haben auch noch gut aussieht. Jemand, der das beherrscht, ist Maxim Biller.« Polemik ist hier zwar ein schie­fes Syno­nym für Hass, doch trifft es Billers Anspruch besser. Dass abseits davon zwei seiner Kurz­geschichten schon im New Yorker zu lesen waren, kommt, wie in der Litera­rischen Welt vor einigen Jahren zu lesen war, bei den Deutschen so häufig vor wie Papst­werden. Man sollte nun ruhig für einige Sekun­den darüber nach­denken, warum hierzulande ausge­rechnet ein durch zu viel, zu frühe philo­semitische Streichel­einheiten verbrämter, oder wie Biller sich in einem seiner früheren Bücher selbst beti­telte, »gebrauchter« Jude die Rolle des quasi-institutio­nellen Schmerz­verab­reichens ange­nommen hat. Über­haupt ist Biller nach Michel Friedman auf der Seite der Juden wahr­schein­lich der zweite neural­gische Punkt der kultur­schwachen Mittel­maß­deutschen.
Wer hier das Arschloch ist, fragte Biller kürzlich brillant in seiner ersten Hass-Kolumne für Die Zeit seit langem und gab gleich die Antwort: ganz sicher nicht er, sondern, wie schon immer, wir, die »armen, kleinen deutschen Unter­tanen«. Doch auch wenn man sich an Biller stört und wünscht, er möge doch wie die an­deren Juden entweder end­lich aus­wandern oder aber artig unser deutsches Gewissen mit sich herum­tragen, muss man sich doch ein­gestehen, dass nie­mand so über­zeugend schreibt, dass Hass eigentlich ein po­si­ti­ves Gefühl ist, nicht weil er reinigt, sondern weil er Spaß macht. Nie­mand außer Maxim Biller.

Für alle, die das nicht glauben wollen oder die ins­gesamt glauben, wir hätten den Hass längst einer revisio­nistischen Rechten mit dem geistigen Reife­grad von Import­obst über­eignet, ist dieses Buch. Und für den Rest sowieso.

Text: Maxim Biller, Hundert Zeilen Hass (Hoffmann und Campe 2017)

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#14 Maxim Biller: Hundert Zeilen Hass

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