Eine Grenze ist keine Linie, die wir einfach übertreten. Manche bleiben an ihr hängen und andere müssen in ihr leben. Was das bedeutet, beschreibt Gloria Anzaldúa, deren eigene Geschichte bis heute die Geschichte der Menschen im US-mexikanischen Grenzland ist.
Eine Grenze ist keine Linie, die wir einfach übertreten. Manche bleiben an ihr hängen und andere müssen in ihr leben. Was das bedeutet, beschreibt Gloria Anzaldúa, deren eigene Geschichte bis heute die Geschichte der Menschen im US-mexikanischen Grenzland ist. Borderlands/La Frontera ist Chicana-Literatur, gewidmet:
»a todos mexicanos on both sides of the border«.
In Mexiko, so sagt man, entsteht aus Armut Poesie und aus Leid entstehen Lieder. Anzaldúas Buch handelt von ihrer Heimat, ihrer Kindheit im Süden Texas’ und den verwackelten Identitäten, die von der Allmacht eines kolonialistischen Amerikas für immer gezeichnet sind. Lyrisch, autobiografisch und bisweilen auf Spanisch bereitet Anzaldúa den Weg zu einer neuen Mestiza, einer mexikanisch-amerikanischen Kultur, die sich letztlich aus der historischen Unterdrückung befreien wird. Ihre sieben Essays und die über das ganze Buch verstreuten Gedichte beschreiben, wie sich Grenzen in die Psyche der Menschen ausdehnen, die sie bewohnen. Sie handeln vom Widerstand der Unterdrückten an einem Ort, »an dem sich die Dritte Welt an der Ersten reibt und blutet«. Selten habe ich ein Buch gelesen, dass so eindringlich und eindrücklich geschrieben ist wie dieses und vielleicht ist eine solche existenzielle Wucht überhaupt nur möglich, weil wahres Leid zugrunde liegt. So ist Borderlands/La Frontera längst auch eine Ikone der postkolonialen Theorie geworden.
Im Mai 2004 stirbt Gloria Anzaldúa an ihrer Diabetes-Erkrankung. Acht Jahre später und ein Vierteljahrhundert nach seinem ersten Erscheinen, wurde ihr Buch vorsorglich aus den öffentlichen Schulen Arizonas verbannt – zum Schutz von Minderheiten, heißt es.
This was her home / this thin edge of / barbwire.
Text: Gloria Anzaldúa, Borderlands/La Frontera (Aunt Lute Books 1987)
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