Literatur, das kann die Geschichte von den Körpern sein. Nein, Literatur, das muss die Geschichte von den Körpern sein. Die eingeschnitten und abgestoßen, übersehen und versenkt werden. Das weiß Karen Köhler, die an ihrem Roman »Miroloi« eigens erfahren musste, was es heißt, wenn diese Körper weiblich sind. Das sagte auch Hélène Cixous, die lange vor ihr versuchte, diese Körper zu schreiben:
Mit einer Hand schreibe ich gelb, mit einer Hand schreibe ich grün, eine kleine Hand schlüpft unter meine Hand, meine Finger auf ihren Fingern, meine Doppelhand folgt hastig dem Ruf der Welt, meine Hand ritzt sich an den Dornen des Lebens, und ich schreibe blutig, schreibe kaltblütig ohne Angst, ohne Unschuld, spüre das Geblüt der Juden in der Tiefe meiner Schrift vorüberziehen, wie sie hinter meinem Gedächtnis stillschweigend alte Psalmen singen, spüre wie Frauen in meiner Schrift schreiben, wie sie niederkommen, Milch geben, sich allein und traurig niederlegen, fröhlich aufstehen, meine Hände gehen bald mit dem Schritt des Feuers voran, bald mit dem Schritt einer weißen Wölfin, meine Hände verkrallen sich, ihr Inneres vergießt Milchtränen.
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Karen Köhler hat Schauspiel studiert und zwölf Jahre am Theater gearbeitet. Heute lebt sie auf St. Pauli, schreibt Theaterstücke, Drehbücher und Prosa. Ihre Theaterstücke stehen bei zahlreichen Bühnen auf dem Spielplan. 2014 erschien ihr viel beachteter Erzählungsband Wir haben Raketen geangelt. Für ihr Romandebüt Miroloi, das im August 2019 im Carl Hanser Verlag erschien und auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 stand, erhielt sie verschiedene Stipendien, u. a. das Jahresstipendium des Deutschen Literaturfonds.
Wir sprachen mit Karen Köhler am 11. Januar 2020 in Hamburg.
Redaktion: Konstantin Schönfelder, Holm-Uwe Burgemann
Produktion: Florian Liewald
Cover: Daniel Zenker
Stimme: Elisa Schlott, Konstantin Schönfelder
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